Patañjali macht keine Angaben dazu, wie man śauca, die Reinheit, nun ganz genau auf seinemYogaweg beachten soll. Das ist so schön an den Yamas und Niyamas – man kann selber entscheiden, wie bedeutend man diese einzelnen Gebote findet, wie intensiv man diese pflegen möchte und wie streng man die Regeln für sich selbst und andere aufstellen möchte. Der eine versteht unter Reinheit, dass die Wohnung einmal im Monat einigermaßen aufgeräumt ist, ein anderer macht große Unterschiede bei der Reinheit aufgrund seines Glaubens (z. B. beim Essen). Und doch befolgen alle diesen yogischen Grundsatz. Aber was hat man davon, wenn man sich im Sinne von śauca verhält? Patañjali gibt uns im Sutra 2.40 und 2.41 eine Antwort. Grob übersetzt steht dort, wenn wir śauca in unseren Alltag integrieren, werden wir nicht mehr von unseren falschen Wahrnehmungsmustern, den kleśa, beeinflusst. Wenn wir uns (unseren Körper) äußerlich reinigen, wird er gesund bleiben. Wenn wir unseren Geist rein halten, werden wir innerlich weniger angreifbar – wir machen uns weniger Sorgen, wir haben weniger Vorurteile und Erwartungen, wir sind gelassener, können uns besser konzentrieren oder schlafen. Patañjali ist die Reinheit im Bezug auf die Meditation noch wichtig (eines seiner Herzensangelegenheiten). Entwicklung von Reinheit hat die Folge, dass wir uns in der Meditation ohne Ablenkung auf ein Objekt ausrichten können. Wer sich auf dem Meditationskissen äußerlich unwohl fühlt und innerlich unruhig ist, sollte zuerst śauca auf seinem Yogaweg entwickeln. Wenn wir uns innerlich und äußerlich von unnötigem Ballast befreien, dann können wir mit allem, was ist, auf eine reine Weise in Beziehung treten – ganz bewusst und ohne voreingenommen zu sein.