Die Kobra (bhujaṅgāsana)

Yogaübungen bewegen den Körper auf eine ungewöhnliche Art und Weise – anders als man den Körper im Alltag bewegt. Sehr deutlich wird das beim Üben der Kobra, auf Sanskrit „bhujaṅgāsana“ (Schlange, Haltung). Wann liegt man im Alltag schon mit angehobenem Oberkörper auf dem Bauch? Diese Haltung kann mit ihren vielen Varianten eine āsana-Praxis deutlich bereichern. Leider wird die Kobra auf Fotos in Zeitschriften oder Yogablogs oftmals so dargestellt, dass der Oberkörper mittels der gestreckten Arme möglichst weit nach hinten in die Rückbeuge angehoben bzw. abgestützt und der Kopf ebenfalls möglichst weit nach hinten in den Nacken abgelegt werden muss – je höher und verbogener, desto besser und perfekter. Die bereits natürlich vorhandenen Vorwölbungen (Lordosierungen) der Hals- und Lendenwirbelsäule werden in dieser Form der Haltung deutlich verstärkt (sog. Hyperlordosierung). Dabei liegt die Funktion von bhujaṅgāsana darin, den oberen Rücken, die Brustwirbelsäule, in eine Rückbeuge zu bewegen, indem der Oberkörper allein mit Hilfe der Anspannung der Rückenmuskulatur vom Boden angehoben wird. Der Brustkorb weitet sich und die Vorderseite des Körpers wird gedehnt. Die körperlichen Problembereiche des āsana liegen im unteren Rücken und im Nackenbereich, welche gleichermaßen durch ein zu viel an Spannung und durch zu starkes Rückbeugen belastet werden können. Wird der Fokus statt auf Hals- und Lendenwirbelsäule (wo das Rückbeugen deutlich einfacher ist) auf die Rückbeuge in der oft unbeweglicheren Brustwirbelsäule gelegt und die Haltung der Beine (leicht gegrätscht), der Arme (zu den Seiten oder nach hinten angehoben bzw. die Hände neben dem Brustkorb am Boden aufgelegt) und des Kopfes (in Verlängerung der Wirbelsäule, der Nacken ist lang) entsprechend variiert, kann man den negativen, gesundheitlichen Auswirkungen dieser Haltung entgegenwirken. Variationen in der Armhaltung (lang nach vorne angehoben oder die Hände hinter dem Rücken gefaltet) und auch durch das Anwinkeln der Beine in den Knie (ohne die Beine vom Boden anzuheben) können die Haltung intensivieren. Bhujaṅgāsana sollte mit leichteren Rückbeugen, wie der Schulterbrücke oder dem Vierfüsslerstand vorbereitet werden und benötigt grundsätzlich nach dem Üben einen Ausgleich, um möglicherweise zu viel aufgebaute Spannung im Rücken zu lösen. Hierfür bieten sich ebenfalls wieder das dynamischen Üben von apānāsana (Knie-zum-Bauch-Haltung) oder einige Wechsel zwischen Vierfüsslerstand und Blatthaltung oder zwischen Kniestand und Blatthaltung an. (Foto Stephanie Weich, Melanie Klenner Yogagarten Alvesse)